„Mensch Luther“-Ausstellung in der Pforzheimer Schlosskirche begeisterte Jung und Alt
Ein alter Brunnen, Stände, an denen unter dem Geschrei der Händler Fisch, Brot und Früchte verkauft werden, ziehen mitten hinein in ein mittelalterliches Markttreiben, wie es sich um 1500 in Wittenberg abgespielt haben könnte. Aufregung entsteht, als ein historisch gewandeter Mann auftaucht und von einem für einige Kreuzer erstandenen Ablassbrief erzählt: Damit sei er von allen Sünden befreit. Und entronnen dem Fegefeuer – die ganze Sippschaft gleich mit. Die erkaufte Absolution nutzt der Gaukler dann sogleich skrupellos aus, um als geschickter Taschendieb die Marktbesucher zu erleichtern. – Dies ist eine von vielen Lebensstationen des großen Reformators Martin Luther, die in der Ausstellung „Mensch Luther“ zurzeit in der Pforzheimer Schlosskirche eindrucksvoll in Szene gesetzt wird. Anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation in Deutschland“ hat die Evang. Landeskirche Baden eine aufwändige und historisch fundierte Exposition über das Leben und Wirken von Martin Luther konzipiert, die jetzt als facettenreiche „Zeitreise für alle Sinnen“ präsentiert wird. Interessante Kulissen, interaktive Elemente und spannende Hörspielszenen mit Spezialeffekten geben einen faszinierenden Einblick in die Zeit des Umbruchs und des Beginns des Protestantismus um das Jahr 1517.
Gleich am Eingang der majestätischen Pforzheimer Stadtkirche werden die großen und kleinen Beinsteiner Besucher am Sonntagvormittag an einer Zugbrücke von einer Magd aus dem Hause Luthers im mittelalterlichen Gewand empfangen. Diese geleitet die Gäste zu einer gut einstündigen, überaus informativen Bildungsreise in die Zeit Luthers, die immer wieder auch Raum lässt für kleine Entdeckungen: Hinter einem Fensterladen etwa taucht eine Unterrichtsszene auf, in der ein Schüler den Hintern versohlt bekommt. Er hat im Lateinunterricht das Wort „Dominus“ (Herr) falsch dekliniert. Brachiale Lehrmethoden damals, die auch Martin Luther über sich ergehen lassen musste. Kontrastreiche Szenenwechsel gibt’s am laufenden Band: Die Schau führt vom Elternhaus des aufgeweckten kleinen Martin über seine Zeit als Jurastudent bis hin zu seinem furchterregenden Gewitter-Erlebnis, das ihn schließlich ins Kloster und später zum Theologiestudium gebracht hat. Zwischendurch dann eine kleine Stärkung für die Besucher mit Schwarzbrot und Holundersaft. Plötzlich ein in blaues Licht getauchter Raum, der sich als begehbare Bibel entpuppt. Dort gelangt Luther beim intensiven Bibelstudium zur Gewissheit, dass Gott kein Krämer und seine Güte und Vergebung gratis zu erhalten sind: allein aus Gnade (sola gratia). Am Nachbau jener geschichtsträchtigen Eingangstür der Schlosskirche zu Wittenberg dürfen einige Besucher der interaktiven Schau dann sogar selbst Hand anlegen und eine Schriftrolle mit den berühmten 95 Thesen anbringen, so wie dies Luther eigenhändig im Oktober 1517 getan haben soll. Der Reichstag zu Worms, die Entführung auf der Rückreise per Pferdekutsche, das Untertauchen als „Junker Jörg“ auf der Wartburg bei Eisenach und die Übersetzung der Bibel aus der griechischen Urfassung in die deutsche Schriftsprache sind weitere markante Momentaufnahmen.
Am Ende ist allen klar: Luthers vier reformatorische Grundsätze sind auch heute noch hochaktuell: allein die Gnade, allein Christus, allein die Heilige Schrift, allein der Glaube.
Nach so viel theologisch-geschichtsträchtigem Stoff ist Entspannung, Spielen und Schwätzen im schattigen Schlosspark oder auch die Einkehr im gemütlichen Biergarten, direkt neben der Kirchhofmauer, eine willkommene Abwechslung. Danach führt die Reiseroute nach Friolzheim ins schöne Freigelände des Freizeit- und Jugendhauses des Württembergischen Christusbundes. Ein ausgedehntes Picknick mit knusprigen Grillwürsten a la Helle, leckerem Kartoffelsalat, Eis, Kaffee und anderen Köstlichkeiten ist willkommene Labsal für die hungrigen Ausflügler aus Beinstein. Währenddessen stürmen die Kinder den nagelneuen, riesigen Abenteuerspielplatz und sind dann stundenlang nicht mehr davon wegzubringen. Einige flotte Gospelsongs (etwa die „Jesus-Ballade“), gemeinsam intoniert und mit Gitarre und Schellenkranz begleitet, ergänzt durch ein kurzes Impulsreferat von Gemeinschaftsleiter und Ausflugsorganisator Thomas Spriegel („Es ist nicht nur wichtig was wir sagen, sondern vor allem was wir als Christen tatsächlich tun“) runden den Nachmittag ab. So neigt sich ein sonniger Ausflugstag mit zahlreichen Gemeinschaftserlebnissen gemütlich seinem Ende zu – vermutlich wäre auch Martin Luther gerne dabei gewesen. – Michael Hahn